Der Grundgedanke des Projektes ist; Jungen aus patriarchal orientierten Familiensystemen, „sogenannten Ehrenkulturen“, eine Auseinandersetzung mit alternativen Männerbildern auf der Peer-to-Peer-Ebene zu ermöglichen.
Peer-to-Peer bedeutet den Einsatz speziell geschulter Jugendlicher, hier Peers genannt, um eine bestimmte Gruppe z. B. Schulklasse, Jugendfreizeiteinrichtung, hinsichtlich einer bestimmten Thematik zu informieren. Dabei wird der Multiplikatoreneffekt noch erweitert – d. h. die geschulten Peers informieren eine Gruppe und die informierten Mitglieder der Gruppe vermitteln wiederum in ihren jeweiligen Peer-Gruppen ihre gemachten Erfahrungen und ihr Wissen.
Im Zentrum der Ausbildung der Jungen zu Peer-Trainern steht die Auseinandersetzung mit ihren Männlichkeitsnormen, ihren Idealen von Männlichkeit, den durch die Traditionen einer Ehrenkultur erworbenen Männer- und Frauenbildern und deren Problematiken. Dabei werden sie begleitet von qualifizierten Männern (Multiplikatoren), die für diese Aufgabe besonders qualifiziert wurden. Diese Pädagogen sind ähnlich sozialisiert, leben ein ‚alternatives Mann sein‘ und pflegen einen Umgang mit Frauen auf Augenhöhe.
Die zukünftigen Peer-Trainer treffen sich ein Jahr lang wöchentlich zu festen Gruppenzeiten und werden durch die Multiplikatoren bei der Auseinandersetzung mit den oben genannten Themen unterstützt. Sie werden darin bestärkt eigene Lebensentwürfe und Lebensziele zu formulieren und zu konkretisieren. Sie arbeiten an ihren Stärken, Fähigkeiten und Kompetenzen mit dem Ziel, ihr Wissen, ihre Erfahrungen und ihre persönlichen Entscheidungen in Bezug auf Geschlechter-gerechtigkeit und die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen/Männern und Frauen auf der Peer-Ebene weiterzugeben. Anhand eines gemeinsam erarbeiteten Workshop-Konzeptes suchen die Peers (Anfangs in Begleitung eines Multiplikators) Schulen, Jugendeinrichtungen und andere Jugendtreffpunkte auf und vermitteln die Inhalte des Projektes unter Gleichaltrigen.

 

Teilnehmer:
Die Gruppe der Peer-Trainer umfasst bis zu  20 Jungen und junge Männer im Alter von 16 – 22 Jahren umfassen.
Ausgehend von 10 – 15 Workshop Angeboten an Schulen, in Jugendeinrichtungen u. ä., während der Projektlaufzeit bei maximal 25 Jugendlichen pro Workshop sollen zwischen 250 bis 400 Jugendliche erreicht werden.

 

Warum dieses Projekt?
Wir leben gemeinsam in einer demokratischen Gesellschaft, die sich an liberalen Freiheits-, Gleichheits- und Menschenrechte orientiert und diese im Grundgesetz verankert hat. Trotzdem leben Menschen unter uns, die aufgrund von Migration und die oftmals damit einhergehenden Anerkennungs- und Integrationsschwierigkeiten, vermehrt auf traditionelle Muster im Zusammenleben zurückgreifen und sich häufig in ihrer kulturellen Gruppe bewegen. Tradierte Werte und Verhaltensnormen, die von Eltern oder Großeltern dieses Personenkreises hochgehalten werden, stehen oftmals im krassen Gegensatz zu den Erwartungen der hiesigen Mehrheitsgesellschaft.
Auf der Suche nach ihrer Identität bewegen sich viele dieser Jugendlichen und jungen Erwachsenen permanent zwischen zwei Welten.
Auf der Suche nach Identität und Stabilität bekommen die seit frühester Kindheit vermittelten patriarchalen Vorstellungen von Männlichkeit, Ehre und Loyalität einen hohen Stellenwert in der sozialen Interaktion. In der Peergroup wird noch einmal gemeinsam definiert was Ehre ist, ihre Verteidigung steht an erster Stelle und erfolgt nicht selten mit Gewalt.
Viele dieser Jungen kommen aus bildungsfernen Familien. Oft gehören sie zu den „Bildungsverlierern“. Gleichzeitig gibt es viele Jungen, die einen ähnlichen Hintergrund haben und sich anders entscheiden möchten. Sie leiden selber „im Namen der Ehre“, sie wollen nicht Kontrolle und Härte ausüben, wollen sich ihre Partnerinnen selbst auswählen und keine Frau heiraten, die für sie ausgesucht wurde. Ehre und Männlichkeit, so wie es ihnen vermittelt wird, entspricht nicht mehr ihren Vorstellungen, sie wollen etwas anderes. Sie leiden oft sogar unter dem öffentlichen Bild des machohaften, gewalttätigen Migranten.

 

Hier setzt unser Projekt FreeCan an:
FreeCan soll Alternativen aufzeigen, Perspektiven entwickeln und Sozialisation von Jungen im Sozialraum verändern. Nicht Gewalt, Macht und Ohnmacht sollen dan im Zentrum jugendlicher Lebenswelt stehen, sondern Wertschätzung und Geschlechtergerechtigkeit.

 

Ziel ist es
die Peer-Trainer so zu qualifizieren, dass sie sowohl fachlich als auch emotional nach einer gewissen Gruppenphase in der Lage sind, gegenüber ihrer Peer Gruppe für die Themen des Projektes einzustehen. So wirken sie als Türöffner und symbolisieren ein anderes Jungenbild.
Sie sind weiterhin in der Lage, Workshops in Jugendeinrichtungen, Schulen und anderen Jugendtreffpunkten durchzuführen (in Begleitung eines Multiplikators).
Ziel der Workshops ist es, die TeilnehmerInnen (Jungen und Mädchen) an die Themen des Projektes auf der Peer-to-Peer Ebene heranzuführen. Sie sollen sich angesprochen fühlen, sollen sich mit ihren eigenen Wertvorstellungen, ihren Einstellungen und ihrem Verhalten auseinandersetzen. Sie erleben Ihresgleichen (Peers) in der Rolle des Ratgebers / des Wissenden / des „großen Bruders“ und nehmen Inhalte leichter an, da so eine wesentlich stärkere Orientierung an ihrer eigenen Lebenswelt möglich ist.

 

Die Arbeit mit den Jungen hat im Januar 2015 begonnen. Sie treffen sich immer Mittwochs ab 17.00 Uhr  im Jugendcafé „LiNo51″.

 

Gesellschaftliche Relevanz
Es geht um Kompetenzförderung, um emotionale Bildung, es geht darum, Ausgrenzung zu verhindern und Teilhabe zu ermöglichen. Wir verstehen unser Projekt als einen kleinen Schritt auf dem Weg zu einer Gesellschaft, in der Geschlechtergerechtigkeit und Demokratie gelebt wird. Das Projekt ist in der Stadt und Region Hannover einzigartig. Zurzeit gibt es keine anderen Ansätze in der Arbeit mit Jungen gibt, so dass auch hier ein richtungsweisender Charakter vorhanden ist.
 

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